Uralte Weizensorten erleben „Bio-Renaissance“

    Vom Bio-Landwirt und -Bäcker aus dem Salzburger Land bis zu Vertretern der ersten deutschen „Ökomodell-Region Waginger See - Rupertiwinkel“: Möglichst „standfeste Weizensorten“ (Vordergrund) fanden das große Interesse der LfL-Gäste auf der Ruhstorfer Versuchs-Feldanlage (Bild). Vorne (v.l.) „Sortenzüchter“ Dr. Klaus Fleißner, Ernährungswissenschaftlerin Margarita Kwich und Biobäcker Jakob Itzlinger, vorne (r.) Geschäftsführerin Marlene Berger-Stöckl mit Biolandwirt Manfred Eisl. Hinten (v.l.) die Hüttinger Bäckermeister Günter und Raphael Wagner. Foto: Nöbauer

    Schlechte Standfestigkeit größtes Manko – Agrarier des Salzburger Landes und Waginger See - Rupertiwinkels Kleeberger LfL-Gäste

    Ruhstorf/Lks. Passau. Beim „Kleeberger Institut für Pflanzenbau und Pflanzen-züchtung“ der Bayerischen „Landesanstalt für Landwirtschaft“ (LfL/Zweigstelle Ruhstorf) wächst etwas „Urig-Historisches“ von bislang einzigartigem praxisorientiertem Charakter heran: Uralte Getreidesorten wie speziell der „Laufener Landweizen“ als diesbezügliches „Leuchtturm-Beispiel“ sogar der Bayerischen Fernsehsendung „Unser Land“ werden auf wissenschaftlicher Basis revitalisiert und sogar über die bayerischen Landesgrenzen hinaus erfolgreich exportiert.

    Begleitet von Geschäftsführerin Marlene Berger-Stöckl (Waging am See) aus der bundesweit ersten „Ökomodell-Region Waginger See - Rupertiwinkel“ nutzten beispielsweise auch Biobauer Manfred Eisl (St. Georgen bei Oberndorf/Salzburg), Biobäcker Jakob Itzlinger (Faistenau bei Fuschl am See) sowie Ernährungswissenschaftlerin Margarita Kwich (Bürmoos / alle Land Salzburg) als Mitglieder der „Wertschöpfungskette Laufener Landweizen vom Landwirt bis zum Bäcker“ die Gelegenheit, den Anbau uralter Getreidesorten direkt vor Kleeberger Ort selbst in Augenschein zu nehmen. „Gastrosophin“ Kwich multipliziert „diesbezüglich gewonnene Erkenntnisse für deren praktische Umsetzung in der gesamten Bewirtungs-Branche rund um die Mozartstadt und Salzkammergut-Seen“.

    Das Projekt speziell zur „Erhaltung bayerischer landwirtschaftlicher pflanzengenetischer Ressourcen“ basiert nach den Worten von LfL-Zweigstellenleiter Robert Brandhuber „im Auftrag der bayerischen Biodiversitäts-Strategie, die autochthonen (einheimischen) Nutzpflanzensorten bis 2020 möglichst dauerhaft zu erhalten“. Für den pflanzenbaulichen Bereich würden dabei alte Nutzpflanzensorten bei der „nationalen Genbank des Leibnitz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung“ in Gatersleben (Nähe Magdeburg) aufbewahrt. Die dort eingelagerten Sorten würden dabei nur in bestimmten Intervallen, die bei Getreide aufgrund der guten Lagerfähigkeit sogar mehrere Jahrzehnte sein könnten, neuerdings auch auf Ruhstorfer Versuchsfeldern in kleinen Parzellen angebaut und wieder vermehrt, um am kontinuierlichen Evolutions-Prozess teilnehmen und sich dabei genetisch weiterentwickeln zu können, ergänzte Brandhuber.

    Möglichst viele Sorten vor dem Aussterben retten

    "Um möglichst viele Sorten vor dem Aussterben nicht nur retten, sondern auch zielgerichtet vermehren zu können, ist das Kleeberger Pflanzenforschungsinstitut zur Umsetzung der bayerischen Biodiversität-Strategie auf die kontinuierliche Zusammenarbeit mit Landwirten, Verarbeitern und Verbrauchern angewiesen“, begrüßte „Sortenschützer“ Dr. Klaus Fleißner ausdrücklich sogar grenzübergreifende Kontakte. Denn: „Nur was der Landwirt und Verarbeiter als nutzbringend erachtet oder was den Weg zurück auf den Verbrauchertisch findet, das wird letztlich auch erhalten“, beleuchtete Dr. Fleißner auch die „wirtschaftlichen Aspekte der Züchtungs-Medaille“.

    „Nach heutigen Gesichtspunkten bildet das Hauptproblem beim Anbau alter Getreidesorten deren schlechte Standfestigkeit“, brachte Dr. Fleißner zu Beginn der Feld-Exkursion das größte Manko auf den Punkt. Aktuelle Anbauempfehlungen für Weizen oder Gerste seien jedoch auf die modernen Sorten und Anbaumethoden zugeschnitten. Außerdem seien mineralische Stickstoff-Düngung, Kurzstroh-Sorten und chemische Halmverkürzer aus dem heutigen konventionellen Getreideanbau für eine Ertrags- und Eiweißgehalt-Maximierung nicht mehr wegzudenken. Klassische Land- und frühe Zuchtsorten (vor 1945) würden gegenwärtig – laut „Sortenschützer“ - ohne diese "Hilfsmittel" der modernen Landwirtschaft angebaut, würden sich aus dem Boden selbst holen, was sie zum Wachsen bräuchten und würden dafür dem Landwirt „Korn für den Verkauf und Stroh für den Stall“ zurückgeben.

    Im Lehrbuch „Landwirtschaftslehre für Schule und Praxis“ (2. Teil „Praktische Landwirtschaft“) sei bereits 1927 darauf hingewiesen worden, dass Weizen an den Nährstoffvorrat im Boden zwar große Ansprüche stelle, aber „volle Stallmistdüngung“ meist schlecht vertrage und „Lagerfrucht, Rost- und Brandbefall davon die Folge“ sein können. Zu vermeiden sei ferner eine einseitige Stickstoffdüngung, weil sie Lagerung und Rostbefall begünstige", zitierte Dr. Fleißner weitere Lehrbuchangaben. Dagegen werde die „Beidüngung von etwa 50 Kilogramm Phosphorsäure je Hektar" ausdrücklich empfohlen.

    Für die heutige Praxis bedeute dies nach hinlänglicher Erfahrung des Kleeberger Pflanzenzucht-Experten, dass sich der „Landwirt zur Vermeidung von Lager beim Anbau einer alten Sorte an die Anbauempfehlungen halten“ sollte, die zu der Zeit gegolten hätten, als diese Sorten noch häufig auf unseren Feldern angebaut worden seien. Entsprechendes Saatgut finde man heute vor allem noch im ökologischen Landbau, aber auch hier meist nur in seiner extensiven Form, erläuterte Dr. Fleißner. Leguminosen als „Stickstoff-Sammler“ oder Kleegras als Vorfrucht könnten zusammen mit organischer Düngung auch hier „Lager bei der Kultivierung alter Sorten nachhaltig begünstigen“.

    Anbaumethoden an die alten Sorten anpassen

    Die beim Anbau von Land- und alten Zuchtsorten gesammelten LfL-Erfahrungen deuteten überdies darauf hin, dass sie für einen „konventionellen Anbau unter den heute geltenden Anbauempfehlungen nur bedingt geeignet“ seien. Am besten für den ökologischen Landbau hielt der Agrarwissenschaftler entweder auf schwächeren Standorten (Bodenzahl unter 50) Zuchtsorten ohne stickstoffsammelnde Vorfrucht, aber mit mäßiger organischer Düngung zur extensiven Saat. Auf guten Standorten (Bodenzahl über 50) favorisierte Dr. Fleißner „Saatgut als Folgefrucht nach Mais oder einer modernen Getreidesorte ohne jegliche Stickstoffzufuhr über Stickstoffsammler und organischen Dünger“.

    „Auf nährstoff-, insbesondere humusarmen Böden ist jedoch eine Düngung mit gutem, verrottetem Stallmist zulässig", betonte Bio-Landwirt Manfred Eisl aus dem Salzburger Land, der  nach eigener Aussage „mit Erfolg den Anbau des Laufener Landweizen praktiziert, ohne sich ernsthafte Gedanken zur Standfestigkeit seines alten Getreideschatzes machen“ zu müssen. „Der Biobauer hat es gelernt, weil er es lernen musste, seine Anbaumethoden an diese alte Landsorte anzupassen und wurde dafür mit etwas Besonderem in Hinsicht auf Tradition, Ästhetik und Geschmack belohnt“, rundete LfL-Pflanzenzuchtexperte Dr. Klaus Fleißner zuletzt ein „ungemein informatives Fachgespräch unter Fachleuten mit befruchtendem Meinungs- und Erfahrungsaustausch“ ab.  

    Bericht vom 11.07.2020 aus der Passauer Neuen Presse Ostbayern, Autor Hans Nöbauer

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